Personalentwicklung darf nicht bei der Prozessoptimierung stehen bleiben
Von der Personalentwicklung zum Human Collaboration Management
Die Personalentwicklung steht vor großen Umbrüchen
1. Personalmanager als Förderer von Zusammenarbeit und Autonomie
2. Personalmanager als Community-Gestalter
3. Personaler als Performance Consultants für Führungskräfte, Mitarbeiter und Teams
Die Zukunft der Personalentwicklung in zehn Thesen
Personalentwicklung muss auch standardisieren
Sollen Personaler sich darauf konzentrieren, Prozesse zu verwalten und damit mittelfristig überflüssig werden - oder sollen sie kreativ und strategisch zum Unternehmenserfolg beitragen? Vor dieser Fragestellung entwickelt Jan C. Weilbacher in seinem jüngst erschienenen Buch eine Landkarte für die Personalentwicklung von morgen. Dass sich auch die Personalentwicklung bewegen muss, dürfte unstrittig sein – deshalb hält sich Weilbacher nur kurz mit den Gegenwartsbeschreibungen auf, also der Beschreibung der VUKA-Welt (volatil, unsicher, komplex, uneindeutig) und den Folgen der Digitalisierung. Sein Hauptaugenmerk liegt darauf, eine Personalentwicklung zu skizzieren, die als Business-Partner zu den Treibern der Unternehmensentwicklung gehört.
Weilbacher macht von Beginn an klar: wenn Personaler nicht über den Tellerrand hinausblicken und sich statt dessen weiter im Schwerpukt mit der Einführung und Optimierung von Prozessen beschäftigen, schaffen sie sich früher oder später selbst ab. Dieses Szenario entwickelt Jan C. Weilbacher aber nicht weiter. Aus gutem Grund. Denn gerade Personalentwicklern wird die Arbeit nicht ausgehen. Vielmehr erzeuge die rasante Umgestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft durch die Digitalisierung ganz neue Bedarfe, um Unternehmen auch künftig auf Kurs halten zu können. Im Untertitel des Buches „Human Collaboration Management“ nennt er deshalb Personalmanager auch treffend „Berater und Gestalter in einer vernetzten Arbeitsweilt.“
Ganz gezielt führt Weilbacher neue Begriffe ein. Weg von den Human Resources, weg vom „managen“ von Menschen hin zum Vernetzer und Ermöglicher. Spätestens jetzt muss man sich fragen, wer ist es, der da schreibt? Lesern des „Human Resources Manager“ wird Jan C. Weilbacher lange ein Begriff sein. Die letzten Jahre hat er sich als Chefredakteur dieses Leadmagazins für Personalentwickler einen Namen gemacht. Heute arbeitet er als Consultant im Beratungsunternehmen "HR Pepper". Was auf der einen Seite als Mangel an Praxiserfahrung negativ zu Buche schlagen könnte, entpuppt sich auf der andern Seite als Segen. Denn weil er die Arbeit der Personalentwicklung seit Jahren beobachtet, kommentiert und begleitet, ist er in der Lage, eine fruchtbare Außenperspektive einzubringen, die zugleich gesättigt ist durch eine tiefe Kenntnis der vergangenen und aktuellen Debatten und Theorieentwicklungen im Bereich der Personalentwicklung. Schon allein, weil er den Begriff des Human Collaboration Managers an die Stelle der alten Begrifflichkeiten setzt und damit neue Perspektiven für die „Personalentwicklung“ aufzeigt, ist das Buch lesens- und empfehlenswert. In Zukunft, so die klare Botschaft, geht es nicht mehr um die Förderung mehr oder minder „Bedürftiger“ sondern um das Gestalten von Beziehungen.
Drei wesentliche Denk- und Arbeitsfelder hat Weilbacher ausgemacht und jedem dieser Felder ein Kapitel in seinem Buch gewidmet. Ich gehe auf jedes dieser drei Felder kurz ein.
Hier spielen die auch von Jane Hart gepushten „Communities of Practice“ eine wichtige Rolle. Was schon lange unter dem Namen „ERFA-Gruppe“ gängige Praxis ist, erhält unter dem Großthema „informelles Lernen“ neues Gewicht. Denn es gibt einen entscheidenden Unterschied zu „früher“: ERFA-Gruppen waren mehr oder minder institutionalisiert. Gleichzeitig gab es schon immer auch informelle Gruppen. Genauso hat sich das Lernen seit der „Entdeckung“ des informellen Lernens nicht verändert. Was sich verändert hat, ist der Fokus auf das Lernen. Heute geht es darum, diesen Bereich des Lernens und der Kompetenzentwicklung ans Licht zu holen. Nicht, um diese Bereiche zu formalisieren, sondern um sie gezielt ausbauen und fördern zu können. Oder eben zu erkennen, dass „Communities of Pracitce“ wertvoll und nach Kräften zu fördern sind. Es geht darum, das Buckingham-Theorem auf die Personalentwicklung anzuwenden: Stärken stärken. Weilbacher wirbt in diesem Kapitel deshalb für ein neues Rollenverständnis und für ein neues Selbstverständnis der Personalentwicklung.
Die Produktionsweisen und Paradigmen der gesellschaftlichen Epochen haben schon immer auch das Denken über sie bestimmt. Vom mechanistischen Weltbild bis zum systemischen Verständnis eines Unternehmens-Organismus. So ist es nicht verwunderlich, dass Unternehmen heute auch unter dem Blickwinkel der Netzwerkorganisation betrachtet werden. Das Stichwort heißt „Social Collaboration“. Hintergedanke: Gemeinsam schaffen wir mehr. Wenn über alle Abteilungs- und Hierarchieebenen hinweg ungefilterter Austausch stattfindet, werden, so die Annahme, Unternehmen schneller und damit langfristig erfolgreich. Zwar hat @wilddueck mitten in die Schwarmintelligenz-Euphorie die These der „Schwarmdummheit“ geschleudert – aber an der Tatsache, dass Vernetzung und damit Schnelligkeit über die Zukunft der Unternehmen entscheidet, rüttelt auch er nicht. Es kommt eben immer auch darauf an, wie man's macht. Weilbacher jedenfalls steckt erst einmal den Rahmen ab, innerhalb dessen die Personalentwicklung „Social Collaboration“ fördern kann. Und dann liefert er erstaunlich viele Tools und Methoden, die sich dafür eignen, Social Collaboration zu fördern.
Das dritte Feld, das Jan C. Weilbacher beackert, könnte man auch nennen: „Schluss mit lustig“. Denn bei allem „Social“ geht es auch immer um „Success“. Aber was taugen die gegenwärtigen Performance-Messungen? Was tun, wenn Zielvereinbarungen nicht mehr greifen und Nils Pfläging Recht hat, wenn er MBO für obsolet erklärt? Oft springen Berater an diesem Punkt hoch und weit – sie haben ja weder was mitzunehmen noch zu verlieren (da muss ich kurz Heinz Erhard zitieren: „Das Reh springt hoch, das Reh springt weit, warum auch nicht, es hat ja Zeit.“) Personalentwickler und Personalmanager sind aber keine Berater, sondern tragen Verantwortung für zum Teil tausende von Mitarbeitern. Gut, dass Weilbacher stattdessen Wege sucht, konkrete Zielvereinbarungen mit „Human Collaboration Management“ zu verbinden. Dazu hätte er zwar nicht die SMART-Regel buchstabieren müssen – das haben andere schon oft genug getan – gleichzeitig zeigt das aber auch, dass er seine Sache ernst meint. Auch in diesem Kapitel liefert er Personalentwicklern und Personalmanagern viele Methoden, um sich als Coach, Förderer oder Lernbegleiter für die Mitarbeiter und das Unternehmen nützlich zu machen. Eine Frage bleibt natürlich offen: Werden es die gleichen Menschen sein, die diese künftigen Rollen ausführen, oder werden die jetzigen ersetzt durch Personalentwickler mit neuen Qualifikationen als Coach, Lernbegleiter, Communitymanager …? Damit stellt sich für die Personalentwicklung die gleiche Frage, wie sie der Personalentwicklung oft gestellt wird: Kann man aus Bergleuten Programmierer machen? Oder wer's konstruktivistisch will: Können sich Bergleute zu gefragten Programmieren entwickeln?
Auf den letzten Seiten traut sich der Autor, zehn Thesen für die „Zukunft des Personalmanagements“ aufzustellen. Die zehn Thesen zeigen zugleich durch die Hintertür, wo es in der Personalentwicklung klemmt. Weil das auch eine wunderschöne Vorlage ist, um die Diskussion über die neue Rolle der Personalentwicklung anzuregen, gebe ich sie hier wieder (im Buch sind alle Thesen auf ca. einer halben Seite belegt und entwickelt):
Personalmanager müssen Kulturgestalter und Vernetzer sein!
Personalmanager müssen sich auch als Organisationsentwickler verstehen!
Personalmanager sollten Lust haben, Probleme zu lösen und das Business verstehen!
Personalmanager sind experimentierfreudig und beziehen die Fachbereiche bei der Produktgestaltung mit ein!
Personalmanager geben manche HR-Aufgaben an die Fachbereiche ab – und suchen sich neue!
Personalmanager sind Lernbegleiter!
Personalmanager müssen eine Affinität zu neuen Technologien haben!
Personalmanager beraten auf Augenhöhe und begleiten das selbstverantwortliche Arbeiten!
Personalmanager müssen Kommunikationsexperten werden!
Personalmanager setzen sich für gesundes Arbeiten ein!
Das Buch „Human Collaboration Management“ schlägt neue Seiten für die Personalentwicklung auf und ist eine Fundgrube für Methoden und Tools um das alte Personalmanagement in künftiges Collaboration Management zu überführen. Dennoch habe ich eine kritische Anmerkung. Ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor für Unternehmen ist die agile Gestaltung sämtlicher Unternehmensprozesse. Das heißt, die Prozesse müssen schneller und schlanker werden. Das erfordert auf der einen Seite neue Formen der Zusammenarbeit. Stichwort Social Collaboration. Aber mindestens im gleichen Maße erfordert die agile Gestaltung der Prozesse die Standardisierung um fast jeden Preis. Nur, wenn das Recruiting auf hochstandardisierte Prozesse zurückgreifen kann, wird es in der Lage sein, schnell auf Nachfrageschwankungen zu reagieren. Nur, wenn Onboardingprozesse weitgehend automatisiert werden, können Mitarbeiter örtlich und zeitlich flexibel eingestellt und schnell produktiv gemacht werden. Nur, wenn die Weiterbildung auf standardisierte Module zurückgreifen kann, können Lernbedarfe zeitnah gedeckt werden – und das sage ich nicht nur, weil wir als E-Learning-Anbieter E-Learning Module für die selbstgesteuerte Kompetenzentwicklung anbieten. Auch hier braucht es wieder gute Personalentwickler, die die Inhalte kuratieren und auswerten, schließlich sollen die Mitarbeiter ihre Zeit nicht mit Suchen verbringen müssen.
Standardisierung ist also ein Bereich, der auch von Personalentwicklern (Human Collaboration Managern) angegangen werden kann und muss. Auch hier wird die Arbeit so schnell nicht ausgehen. Stichworte sind: Digitalisierung von Präsenzschulungen, Systematisierung und Standardisierung von unternehmensinternen Aus- und Fortbildungsprogrammen, Standardisierung und Digitalisierung der Kompetenzmessverfahren und der Kompetenzentwicklungsprogramme. All diese Maßnahmen dienen dazu, die Unternehmen agil und damit erfolgreich zu machen.
Meines Erachtens ist es wichtig, auch die „Standardisierung“ in die Debatte aufzunehmen. Was ich hiermit tue und auch Jan C. Weilbacher einlade, hier im Kommentarfeld die neuen Tugenden und Aufgaben der Personalarbeit umzusetzen: Feedback geben, vernetzen, kommunizieren.
Das Buch: Jan C. Weilbacher, Human Collaboration Management, Schäffer Poeschel 2017