Videobasiertes Lernen - Kleine Didaktik der Erklärvideos

Videobasierte Lernen - Erklärvideos passen gut in die aktuelle Struktur des Medienkonsums
10.02.2020
Simon Hauzenberger
Businesskompetenz
Inhalt

Erklärvideos passen gut in die aktuelle Struktur des Medienkonsums, in der visuelle Aspekte eine wichtige Rolle spielen. Immer ehr Menschen nutzen Videos nicht bloß zur Unterhaltung oder als Informationsquelle, sondern auch als Lernwerkzeug. Sowohl ein hoher Grad an Kundenzufriedenheit als auch die große Bereitschaft, interaktive Videos zu verwenden, generiert ein erhebliches Wachstumspotenzial in diesem Bereich. Dabei überrascht es nicht, dass diese Bereitschaft stark vom Alter und von persönlichen Erfahrungen in der Vergangenheit abhängt. Laut einer Studie würden 73% der Befragten zwischen 30 und 59 auch in Zukunft interaktive Videos nutzen. Bei den 16 bis 29-Jährigen sind es 81,2%, was auf das beträchtliche Potenzial von Erklärvideos hinweist (vgl. Krämer und Böhrs 2017). Dieser Beitrag untersucht das Potenzial von Erklärvideos, einem Format, das einer bestimmten Zielgruppe komplexe Sachverhalte innerhalb kürzester Zeit vermitteln kann.

Videobasiertes Lernen, interaktive Videos, Lernvideos, Erklärvideos, Video-Tutorials & Co. - eine Definition

Hinsichtlich der Begriffsvielfalt im Bereich Videolearning ist es zunächst nötig, auf einer Definition aufzubauen:

„Erklärvideos sind eigenproduzierte, kurze Filme, in denen Inhalte, Konzepte und Zusammenhänge erklärt werden […] jeweils mit der Intention, beim Betrachter ein Verständnis zu erreichen bzw. einen Lernprozess auszulösen.“ (Wolf 2015)

Diese Definition geht von einem gewissen Grad an Didaktisierung aus und unterscheidet somit Erklärvideos von anderen videobasierten Formaten. Ein Erklärvideo ist ein vergleichsweise kurzer, thematisch begrenzter Film, anders als beispielsweise ein Dokumentarfilm, der hauptsächlich informativ und theorielastig gestaltet ist. Allen Formaten gemeinsam ist der zugrunde liegende Erklärungsprozess, der drei Eigenschaften aufweist:

  • Interaktion zwischen dem Erklärer und dem Zuschauer

  • Wissensvorsprung des Erklärers gegenüber dem Zuschauer (Wissensasymmetrie)

  • Absicht des Erklärers, der Zielgruppe komplexe Themen gut verständlich zu machen

Warum Erklärvideos funktionieren

Das Lernen am Modell

Eine Grundlage für videobasiertes Lernen bildet die sozialkognitive Lerntheorie. In der Mitte des letzten Jahrhunderts stellte Albert Bandura seine Thesen auf, dass Menschen sich durch Beobachtung kognitive Verhaltensweisen aneignen können. Anschließend sind sie dann in der Lage, das beobachtete Verhalten selbstständig auszuführen. Die Grundvoraussetzung dafür ist Aufmerksamkeit. Ein Erklärvideo muss es schaffen, diese Aufmerksamkeit zu wecken, indem es die Lerner durch interaktive Elemente immer wieder einbindet und motiviert. Damit die Umsetzung des Erlernten gelingt sind demnach nicht ausschließlich kognitive Kompetenzen der Lernenden nötig, sondern auch deren Motivation. Qualität und Nachhaltigkeit des Erlernten sind von verschiedenen Faktoren abhängig, wie vom Schwierigkeitsgrad des Inhalts und vom Vorwissen der Betrachtenden. Schließlich spielen auch gestalterische Aspekte eine Rolle.

Erklärvideos gegen Präsenztrainings – wer gewinnt?

Natürlich unterscheiden sich interaktive Videos von "traditionellen" Schulungen in Form von Präsenztrainings. Allen Unterschieden voran steht der Nachteil, dass es den Teilnehmenden von Videotrainings nicht möglich ist, unmittelbar Rückfragen zu stellen. Aus diesem Grund ist es eben wichtig, Erklärvideos durch interaktive Elemente anzureichern, damit Lernende die vermittelten Inhalte aktiv und individuell verarbeiten können. Es ist jedoch möglich, diesen Nachteil auszugleichen und Form und Inhalt der Videos an individuelle Fähigkeiten und Bedürfnisse anzupassen. Dies kann durch die entsprechende Gestaltung bestimmter Aspekte geschehen, die die interaktive Komponente von Lernvideos darstellen.

Die mangelnde Gelegenheit, Fragen zu stellen ist zwar ein Nachteil im Vergleich zu klassischen Präsenztrainings. Hier bietet Blended Learning eine echte Chance, also die Kombination aus Web Based Training und Präsenzeinheiten. Auch dem Aspekt Social Learning kommt dabei eine Bedeutung zu, da Lernende sich in der Community über Inhalte austauschen können.

Der Einfluss interaktiver Kontrollmöglichkeiten

Erklärvideos müssen möglichst interaktiv gestaltet sein, um die Lernenden in die Lage zu versetzen, die Lerninhalte aktiv und individuell zu verarbeiten. Das erreicht man, indem man viele aktivierende und motivierende Elemente einbaut.

„Empirische Befunde schreiben insbesondere jenen Erklärvideos, die interaktiv sind, positive Lerneffekte zu. Von den acht gesichteten Studien, welche die Wirkung interaktiver Elemente untersuchten, identifizieren sieben positive Lerneffekte.[…] Die Befunde zeigen, dass [Lernende], die interaktive Videos nutzten, im Vergleich zu [...] anderen Gruppen deutlich besseren Lernerfolg erzielen.“ (Findeisen, Horn und Seifried 2019)

Zum einen haben Lernende die Wiedergabekontrolle über die Videos und können so die Reihenfolge, Geschwindigkeit, Pausen und Wiederholungen individuell bestimmen. Dazu gehört auch die Möglichkeit, Videos in individuelle Abschnitte zu unterteilen. Zum anderen können Lernende für sie relevante Abschnitte direkt ansteuern. Diese und andere Aspekte stellen die interaktive Komponente von Lernvideos dar.

Häppchenweise bitte – Wiedergabekontrolle und Segmentierung

Ein wichtiger Punkt, in dem sich interaktive Videos von Präsenztrainings abhebt, ist die Segmentierung. Diese Möglichkeit, Lerneinheiten individuell einzuteilen erleichtert den Lernenden die Strukturierung ihrer Lerninhalte. Dabei geht die Segmentierung der Videoinhalte mit der Möglichkeit der Wiedergabesteuerung durch Lernende einher. Die Wiedergabekontrolle wirkt sich positiv auf das Lernen aus. Lernende verfolgen das Video äußerst aufmerksam, um Stellen für sinnvolle Pausen zu finden. Dabei strukturieren sie die Videoinhalte und bewirken so eine gründlichere Verarbeitung der Informationen. Diesbezüglich besteht prinzipiell die Möglichkeit, im Video feste Pausen zu implementieren, die sich an der Strukturierung der Lerninhalte orientieren. Es ist auch möglich, dass Lernende individuell an beliebigen Stellen Pausen setzen. Studien weisen nach, dass beide Vorgehensweisen positive Auswirkungen auf das Lernen haben.

Zum einen könnte durch Pausen zwischen einzelnen Erklärungs­inhalten eine Strukturierung ersichtlich werden. Die positiven Lerneffekte resul­tieren hier aus der Verdeutlichung der Struktur des Fachinhalts. Zum anderen wird davon ausgegangen, dass insbesondere die Pausen zwischen Lerneinheiten entscheidend sind. Den Lernenden steht damit zusätzliche Zeit für kognitive Prozesse zur Verfügung. Die Lernenden müssen ihre Aufmerksamkeit nicht zwischen dem Verarbeiten gerade rezipierter Inhalte und der Aufnahme neuer Informationen teilen. Lernende können sich auf die Verarbeitung aufgenommener Informationen konzentrieren, ohne gleichzeitig aufnahmebereit für neue Inhalte sein zu müssen. Eine zusätzliche Chance, Lernvideos interaktiv zu konzipieren, besteht in der Indexierung durch Inhaltsverzeichnisse oder Register.

Screenshot aus einem interaktiven Video mit Wiedergabekontrolle

Wer suchet, der findet – Inhaltsverzeichnis und Register

Eine zusätzliche Chance zur interaktiven Gestaltung von Videos ist die Integration einer Suchfunktion, ähnlich dem Inhaltsverzeichnis und Register eines Buches. Studien zeigen, dass Lernende mehr wichtige Aspekte erkennen, wenn sie eine Suchfunktion zur Verfügung haben. Darüber hinaus können Lernende durch Hyperlinks in den Videos Zusatzmaterial nutzen. Die Nutzung der Links ermöglicht eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Zusatzmaterial und beeinflusst die Lernleistung positiv.

Alles eine Frage der Perspektive

Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob Erklärvideos mit (inter)agierenden Personen besser funktionieren als Videos, die ausschließlich mit Text und Animation arbeiten. Zunächst liegt es auf der Hand, dass ein Mensch augenblicklich Aufmerksamkeit hervorruft, wenn er die Lernenden anspricht. Das geschieht im Unterschied zu der Stimme aus dem Off vor allem mit Gestik und Mimik. Eine sichtbare Person kann die Aufmerksamkeit auf wichtige Gesichtspunkte der Lerninhalte steuern.

„Eye-Tracking-Studien zu sozialen Interaktionen zeigten, dass Menschen etwa 90 % der Zeit einer Person, die etwas erklärt, ins Gesicht schauen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine reale Person oder einer Person in einem Video handelt […]“ (Findeisen, Horn und Seifried 2019).

In Videos mit Darstellern ist obendrein die gewählte Perspektive und ihre Auswirkung auf den Lerneffekt interessant. Grundsätzlich stehen zwei Perspektiven zur Auswahl. Entweder das Video schildert den Sachverhalt aus der Perspektive der erklärenden Person oder aus der Sicht der zusehenden Person. Da ein zusätzlicher Perspektivwechsel den Lernenden eine höhere kognitive Leistung abverlangt, bleibt weniger „Arbeitsspeicher“ für die Fachinhalte. Eine Darstellung aus der Perspektive des Erklärenden erleichtert den Lernenden das Verständnis enorm, da sie die kognitive Beanspruchung beim Lernenden verringert. Dies legt nahe, dass jene Lernvideos wirkungsvoller sind, die aus der Perspektive der erklärenden Person gefilmt werden.

Informelles Setting mit "Wohlfühlfaktor" und professioneller Moderator mit hoher Identifikationswirkung

Auf den Erklärer kommt es an

Schließlich zeigt sich, dass bestimmte Charakteristika der Darsteller ebenfalls von Bedeutung sind. Der sogenannten Model-Observer-Similarity-Hypothese zufolge beeinflussen Ähnlichkeiten zwischen Darstellern und Lernenden die Lernleistung. Dieser Hypothese zufolge haben Ähnlichkeiten zwischen Modell und Beobachtern Einfluss auf den Lerneffekt auf die Zuschauer. So lässt sich feststellen, dass der Lerneffekt umso größer ist, je höher die Identifikation der Lernenden mit den Erklärenden. In diesem Zusammenhang sind Alter und Expertise der Erklärenden von Bedeutung für den Lerneffekt, die Motivation und die Qualität der Erklärung. Während älteren Personen eine höhere Expertise zugeschrieben wird, haben jüngere eine größere Identifikationswirkung.

Design ist nicht alles – aber vieles

Bei der Produktion von Videos sind noch weitere Gestaltungselemente von Bedeutung. So erzielen auf der einen Seite Videos mit Screencasts mehr Aufmerksamkeit bei Lernenden. Zum anderen verursachen sie jedoch eine höhere kognitive Beanspruchung. Aus diesem Grund liefern Formate wie Bild-in-Bild oder Vorlesungsmitschnitte mit Blick auf den Lerneffekt bessere Resultate.

Des Weiteren kommt es auf die Atmosphäre der Erklärvideos an. Eine lässige, zwanglose Stimmung ist ebenso von Vorteil für das Interesse wie eine hohe Sprechgeschwindigkeit. Beides vermittelt den Eindruck von Begeisterung und Motivation in der Darstellung.

Was die Videolänge anbelangt liegt es auf der Hand, dass längere Videos der Motivation der Lernenden abträglich sind. Um das Engagement hoch zu halten sollte ein Erklärvideo eine Länge von sechs Minuten nicht überschreiten. Komplexere Inhalte sollten gegebenenfalls auf mehrere Einzelvideos verteilt werden.

Schließlich spielt auch das Design einer multimedialen Lernumgebung eine wichtige Rolle. Eine ästhetisch ansprechende Gestaltung sowie benutzerfreundliche Oberfläche tragen viel dazu bei, dass die Lernenden sich wohlfühlen. Der "Wohlfühlfaktor" wirkt sich dann auf die Lernmotivation sowie auf die Bereitwilligkeit, das Lernmaterials dauerhaft zu nutzen.

Erfahrungen und Methoden der Pink University

Um unsere E⁠-⁠Learnings effektiver zu machen, setzen wir auf viele unterschiedliche interaktive Formate. So fügen wir Lern- und Verständnisfragen ein und regen die Lerner zu Transferübungen an. Des Weiteren nutzen wir interaktive Videos, um Entscheidungsalternativen aufzuzeigen, die die Lernenden nach ihrem individuellem Kenntnisstand auf unterschiedliche Lernpfade führen.

Bei der Pink University sind interaktive Tests wie Lernfragen und Abschlusstests in den E⁠-⁠Trainings Standard. Mitfhilfe dieser Testformate können Lernende überprüfen, ob sie die angestrebten Lernziele erreicht haben sowie gegebenenfalls Wissenslücken erkennen und schließen. Dabei kommen viele verschiedene Aufgabentypen in Frage, unter anderem Multiple-Choice, Drag & Drop, Hotspots beim Mauszeiger, Texteingaben. All diese interaktiven Testformate werden optimal auf die Lernziele abgestimmt und finden so den goldenen Mittelweg zwischen „zu schwer“ und „zu leicht“.

Screenshot aus Video mit Schaupielszenen zur Emotionalisierung und Identifikation

Geht es um das Trainieren von kommunikative Kompetenzen im beruflichen Umfeld, setzen wir auf Spielszenen. Dabei arbeiten wir mit professionellen Schauspielern. Diese Schauspielszenen bewirken eine Dramatisierung und Emotionalisierung der Lerninhalte und helfen den Lernenden dabei, sich in die jeweilige Situation hineinzuversetzen.

Möchten Sie sich selbst von der Professionalität und Qualität der Pink University überzeugen? Dann fordern Sie gerne einen Testzugang an unter Tel: +49 89 5 47 27 84 10 oder per E⁠-⁠Mail: kontakt@pinktum.com.

Quellen

Findeisen, Stefanie, Sebastian Horn, und Jürgen Seifried. 2019. „Lernen Durch Videos – Empirische Befunde Zur Gestaltung Von Erklärvideos“. MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie Und Praxis Der Medienbildung 2019 (Occasional), 16-36. https://doi.org/10.21240/mpaed/00/2019.10.01.X.

Krämer, Andreas, und Sandra Böhrs. 2017. «How do consumers evaluate explainer videos? An empirical study on the effectiveness and efficiency of different explainer video formats». Journal of Education and Learning 6 (1): 254–266. https://doi.org/10.5539/jel.v6n1p254.

Wolf, Karsten D. 2015. «Video-Tutorials und Erklärvideos als Gegenstand, Methode und Ziel der Medien- und Filmbildung». In Filmbildung im Wandel, herausgegeben von Anja Hartung-Griemberg, Thomas Ballhausen, Christine Trültzsch-Wijnen, Alessandro Barberi, und Katharina Kaiser-Müller, 121–131. Wien: New Academic Press.

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