Virtuelle Realitäten im Corporate Training

VR Brille
11.04.2019
Nicola Appel
Kommunikations- und Interaktionskompetenz
Inhalt

Wer auf der Learntec 2019 in Karlsruhe war, konnte feststellen, dass VR und AR bereits im Corporate Learning angekommen sind. Es gab eine eigene AR / VR Area und im 30-Minuten-Takt Vorträge dazu. Auch die Regionalgruppe München der Corporate Learning Community (#clc089) hatte vor Kurzem ein Meetup dazu. Virtuelle Realitäten im Corporate Training werden also heiß diskutiert und auch wir möchten hier im Blog die Vor- und Nachteile aufgreifen.

Was ist Virtual Reality (VR)?

Wikipedia sagt: „Als virtuelle Realität, kurz VR, wird die Darstellung und gleichzeitige Wahrnehmung der Wirklichkeit und ihrer physikalischen Eigenschaften in einer in Echtzeit computergenerierten, interaktiven virtuellen Umgebung bezeichnet.“ (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Virtuelle_Realit%C3%A4t)

In der Definition wird zwar von „Wirklichkeit“ gesprochen, aber um das klarzustellen: in VR können sowohl reale als auch komplett erfundene und fantastische Welten dargestellt sein.

Die derzeitige VR-Technologie verwendet überwiegend Virtual-Reality-Headsets, manchmal auch in Kombination mit physischen Umgebungen oder Requisiten, um realistische Bilder, Töne und Empfindungen zu erzeugen, die die physische Präsenz eines Benutzers in einer
virtuellen oder imaginären Umgebung simulieren. Eine Person, die eine Virtual-Reality-Ausrüstung verwendet, kann sich in der künstlichen Welt "umschauen", sich darin bewegen und mit virtuellen Elementen oder Gegenständen interagieren. Der Effekt wird durch VR-Headsets erzeugt, die aus einem Display vor den Augen bestehen und manchmal auch mit Kopfhörern kombiniert werden.

VR-Systeme, die die Übertragung von Vibrationen und anderen Empfindungen an den Benutzer durch eine Steuerung oder andere Geräte beinhalten, sind auch als haptische Systeme bekannt. Sie werden vor allem in medizinischen oder militärischen Trainingsanwendungen sowie Videospielen verwendet.

Obwohl VR beispielsweise in Form von Flugsimulatoren bereits seit einiger Zeit existiert, wird es jetzt erst richtig interessant, sich auch die Möglichkeiten für das Corporate Training anzusehen. Die Headsets werden immer günstiger (je nach System kann sogar das eigene Smartphone dafür verwendet werden) und auch die Erstellung von virtuellen Realitäten für die Personalentwicklung wird immer erschwinglicher.

In welchen Bereichen wird VR vor allem eingesetzt?

Die klassischen Anwendungsfelder sind im Gefahrenbereich, also wenn Mitarbeitende in risikobehafteten oder potenziell gefährlichen Umgebungen arbeiten - Militär, Medizin, Konstruktion und Fertigung oder wie bereits angesprochen der Klassiker: die Flugsimulation.

Darüber hinaus wird es mittlerweile aber auch in vielen anderen Bereichen eingesetzt. In Schulen können Kinder und Jugendliche über VR auf Zeitreisen gehen, Museen oder historische Plätze besuchen und andere Welten entdecken. Hier ist ein Beispiel, wie man den menschlichen Körper aus der Sicht eines Blutkörperchens erfahren kann:

Im Sport werden virtuelle Realitäten fürs Training eingesetzt. Hier ein Beispiel aus dem American Football:

In der Architektur können (geplante) Gebäude durch VR erfahrbar gemacht werden – sowohl das Gebäude selbst als auch die Innenarchitektur. Für die Arbeitswelt gibt es Dienstleister, die virtuelle Meetingräume anbieten, in denen sich Teammitglieder, die an verschiedenen Standorten arbeiten, virtuell treffen können. Solche virtuellen Meetingräume können dann natürlich über Teammeetings hinaus auch für Trainings verwendet werden.

Unternehmen setzen VR aber mittlerweile auch in anderen Bereichen ein. Walmart schult seine Mitarbeiter beispielsweise über VR zu ihrem Einsatz an den Deli-Theken, wie man Mitarbeitende auswählt und einstellt und auch zu anderen betrieblichen Abläufen.

Ein weiteres Beispiel sind Anwendungen, mit denen man trainieren kann, vor einem größeren Publikum zu sprechen oder Präsentationen zu geben:

Vorteile von VR im Corporate Training

Was sind also die Vorteile von virtuellen Realitäten – vor allem in Bezug auf Corporate Learning? Hier sind 4 Vorteile zusammengefasst:

1. Es ist sicher
Wie schon beschrieben, wird VR oft in Bereichen eingesetzt, in denen die Mitarbeitenden sich in potenziell gefährlichen Situationen befinden. Über die Simulation in der virtuellen Realität können sie den Ernstfall proben, ohne dass sie wirklich gefährdet sind oder irgendein Schaden entsteht.

2. Es ist kostengünstig
Es gibt viele Trainingsszenarien, bei denen bestimmte „Lernressourcen“ notwendig sind (beispielsweise ein Flugzeug bei der Pilotenausbildung), diese aber nur begrenzt zur Verfügung stehen oder sehr teuer sind. Dafür ist VR perfekt geeignet, da die erforderlichen Umgebungen virtuell modelliert werden und die Lernenden dann damit ihre Fähigkeiten verbessern können, ohne sie in der Realität einsetzen zu müssen.

3. Es ist praktisch
Mit VR kann (wie generell beim E⁠-⁠Learning) sowohl Zeit als auch Budget gespart werden. Die Mitarbeitende müssen nicht zu Schulungsprogrammen reisen und können je nach Bedarf Kurse belegen. Zum Beispiel können Architekten auf der ganzen Welt ihre Entwürfe mit VR bewerten und ohne Probleme weiter zusammenarbeiten.

4. Es macht Spaß
Vielleicht ist es einfach noch der „Reiz des Neuen“, aber immer wieder wird davon berichtet, dass die Teilnehmer eines VR-Kurses sich danach noch engagierter für das Thema interessiert haben und intensiver gelernt haben, weil ihnen durch die Technologie das Gefühl vermittelt wurde, dass sie „mittendrin“ dabei waren.

Gibt es auch Nachteile?

In den Gesprächen beim Regiomeeting der Corporate Learning Community in München wurden Nachteile von VR diskutiert, die ich hier nicht vorenthalten möchte:

1. Mögliche kognitive Überlastung
Je nachdem wie umfangreich das (didaktische) Konzept hinter einer VR-Lerneinheit ist, kann es für die Teilnehmer schwierig oder geradezu überwältigend sein, sich zu orientieren, so dass für die eigentlichen Lerninhalte keine Kapazitäten mehr frei sind. Der Kurs muss möglicherweise mehrfach absolviert werden, damit ein Lernerfolg eintritt, was eher zu Frustration führen kann und die Motivation auf der Strecke bleibt.

2. „Simulator Sickness“
Ausgelöst wird Simulator Sickness wohl dadurch, dass die Sinne, die die Informationen über Lage und Bewegung des Körpers verarbeiten, dem Gehirn unterschiedliche „Daten“ melden. Symptome können Übelkeit, Schwindel und Desorientierung sein. Wenn die Symptome stärker werden, muss der Lernprozess abgebrochen werden.

3. Keine einheitlichen Standards
Wenn Sie sich für ein System entscheiden und dafür Lerninhalte entwickeln oder entwickeln lassen, ist der Wechsel zu einem anderen System derzeit nicht möglich, da es keine gemeinsamen Schnittstellen oder Standards gibt. Die Auswahl sollte also wohlüberlegt sein.

4. Geschlossenheit der Brille
Ein letzter Punkt, der genannt wurde, war der Nachteil der geschlossenen Brille bei VR. Die Geschlossenheit soll vor allem die visuellen Sinne auf die virtuelle Realität konzentrieren. Dadurch können Teilnehmer natürlich nur eingeschränkt wahrnehmen, was um sie herum geschieht, da sie es nicht mehr sehen. Je nachdem was für eine VR sie gerade über das Headset sehen, kann ihnen schwindlig werden und sie können stolpern oder fallen. Bei Augmented Reality gibt es dieses Problem nicht (oder zumindest nicht in dieser Ausprägung), da dort die Realität nur mit virtuellen Elementen angereichert wird und man immer noch seine Umgebung wahrnehmen kann.

Mein Fazit

Virtuelle Realitäten begeistern. Die Systeme werden immer erschwinglicher und Einsatzmöglichkeiten gibt es viele. Aber trotzdem sollten Sie genau überlegen, ob VR die geeignete Methode ist, um die Mitarbeiter in bestimmten Bereichen zu schulen. Geben die Lerninhalte das wirklich her oder probiert man VR nur deshalb aus, weil „es einfach zum Angebot dazugehören soll“? Sinnvoll eingesetzt kann es die Personalentwicklungs-Strategie durchaus positiv unterstützen.

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