Merkmale, Potential und Erfolgskriterien für Community-basiertes Lernen
Strukturgebende Merkmale
Ziel und Zweck
Mikrokultur
Interaktion
Organisches Wachstum
Laufzeit und Lebenszyklen
Lernpotenzial
Neues Wissen erwerben
Wissenserwerb und Wissensvertiefung in arbeitsbezogenen Communities
Schneller Wissenserwerb und -Austausch in Online-Communities
Weiterlernen nach einem Event
Erfolgskriterien
Klare Ziele
Interaktion
Dokumentation des Wissens
Unser Fazit
Community-basiertes Lernen ist einer der Trend-Begriffe in der Weiterbildung. In unserem Artikel stellen wir Ihnen Ausprägungen, Potentiale und Erfolgsfaktoren vor.
Definitorisch ist Community-basiertes Lernen ein "langfristiger, vornehmlich selbst organisierter Zusammenschluss von Personen, der auf private oder wirtschaftliche Zwecke ausgerichtet ist und realen oder virtuellen Charakter hat."
Die Definition lässt Raum für viele Spielarten: "Learning Communities" etwa beschäftigen sich mit einem Thema. "Communities of Practice" erarbeiten neue Lösungen und Konzepte für Probleme.
Immer jedoch ist die Möglichkeit gemeint, Erfahrungen auszutauschen, neues Wissen zu erwerben, anzuwenden und zu entwickeln.
Community-basiertes Lernen existiert in zahlreichen Spielarten. Angesichts der Vielfalt setzen fünf Merkmale den strukturellen Rahmen:
Welches Ziel möchten die Teilnehmer erreichen? Was motiviert sie dazu?
Beim Community-basierten Lernen schließen sich Teilnehmer zusammen, weil sie etwas erreichen wollen und weil sie ein Motiv teilen. Einheitliche Vorstellungen über Ziel und Zweck stärken die innere Verbundenheit und die Stabilität.
Beispiel: Eine Gruppe von Führungskräften hat sich für eine kollegiale Beratung zu einem Kreis zusammen geschlossen. Die Teilnehmer wollen ihre persönlichen Führungskompetenzen verbessern.
Als Gruppe haben sie sich zusätzlich zum Ziel gesetzt, die Führungskultur ihres Unternehmens zu verbessern. Dies ist wichtig für den künftigen Erfolg des Unternehmens.
Der Zweck der kollegialen Beratung liegt darin, sich in einer vertrauensvollen Weise mit Kollegen auszutauschen, die die Kultur und die Strukturen des Unternehmens kennen.
In einer Gemeinschaft bildet sich stets eine Kultur heraus – ob offen kommuniziert oder impliziert. In die Kultur gehen Werte ein ebenso wie Verhaltens- und Kommunikationsregeln. Je mehr sich die Mitglieder mit der Kultur identifizieren, umso stärker ist der innere Zusammenhalt.
Beispiel: Bei ihren vier-wöchentlichen Treffen bestimmen die Teilnehmer jeweils einen Moderator. Der Moderator hält sich aus der Diskussion heraus. Seine Aufgabe ist, einen fairen Austausch sicherzustellen. Wo Konflikte spürbar werden, ohne dass sie einer ausspricht, ist es seine Aufgabe, den Konflikt ins Licht zu rücken.
Beim Community-basierten Lernen tauschen sich die Mitglieder aus. Die Interaktion gilt als Strukturmerkmal.
Die Intensität des Austausches variiert jedoch stark: Häufigkeit, Dauer und Regelmäßigkeit sind sehr unterschiedlich. Auch die genutzten Medien sind vielfältig: Chatrooms, Foren, Videokonferenzen oder Messenger Dienste sind gebräuchlich.
Eine stabile und intensive Interaktion – das ist das Ideal. Menschen sprechen miteinander, wenn sie Vertrauen haben. Deshalb bietet es sich in den meisten Fällen an, die Zusammenarbeit mit einer persönlichen Begegnung zu eröffnen. Face-to-Face entsteht für jeden Teilnehmer ein umfassendes Bild seiner Mitstreiter.
Beispiel: Die Kollegen treffen sich alle vier Wochen persönlich – so lautet der Plan. Doch es hapert an der Termintreue. Übervolle Schreibtische und Dienstreisen stehen dem entgegen.
Um Zeit zu sparen und Kollegen einbinden zu können, die gerade unterwegs sind, haben sich die Führungskräfte auf Videokonferenzen geeinigt und streben ein persönliches Treffen nur noch alle drei Monate an.
Communities können von einer Person oder von einer Gruppe initiiert sein. Meist bestimmen die Initiatoren über die Eintritts- und Austrittsbedingungen und das angestrebte Wachstum der Gruppe.
In vielen Gemeinschaften existiert eine aktive Kerngruppe. Andere, weniger aktive Mitglieder gruppieren sich um sie herum.
Beispiel: Ein Aufbau der Gruppe steht erst dann im Raum, wenn neue Kollegen eingestellt werden. Dies ist zurzeit nicht zu erwarten. Wenn es so weit ist, wird die Gruppe über die Aufnahme neuer Kollegen diskutieren.
Über die Laufzeit einer Community lässt sich im Vorfeld selten etwas sagen. Sie orientiert sich meist an den Bedürfnissen und Zielen der Mitglieder.
Typisch für Communities ist ein fünfteiliger Lebenszyklus: Entdecken des Potenzials, Zusammenwachsen, Aktivität, Auflösung, Erinnerung. Der Zyklus wurde zum Beispiel von Etienne Wenger beschrieben.
Beispiel: Auch unser Kreis von Führungskräften hat sich bisher noch keine Gedanken zur Laufzeit gemacht. So viel ist jedoch klar: Auf ewig wird der Kreis nicht existieren, denn auf Dauer würden die Führungskräfte ihr Gesichtsfeld zu sehr verengen.
In diesem Szenario kommen die Teilnehmer zusammen, um sich zu einem Thema auszutauschen. Jeder einzelne will seinen Wissensstand erweitern. Im Zuge des Austauschs steigt zugleich das kollektive Wissen. Vielfalt ist Trumpf: Die Community profitiert von den verschiedenen Sichtweisen und Ressourcen ihrer Mitglieder.
Beispiel: Die Führungskräfte tauschen sich zu Fragen der Führung aus, wie Delegieren, Mitarbeitergespräche, den Umgang mit Low Performern oder das Selbstbild als Führungskraft. Was ist neu? Was ist schlicht ein Hype? Was hat sich bewährt? In der Community finden sie praxistaugliche Antworten.
Diese Form der Gemeinschaft wurde als "Community of Practice" beschrieben. Ihr Auftrag ist, Wissen zu fachspezifischen Themen zu identifizieren, zu sammeln, zu systematisieren, zu beurteilen, auszutauschen zu verbreiten und neues Wissen zu generieren. Dies geschieht auf dem Wege des Erarbeitens von Best Practice Beispielen und durch die Verbesserung von Strategien mittels Lernen aus alten Fehlern.
Beispiel: Die Führungskräfte haben neben anderem den Auftrag, sich um die Azubis in ihrem Unternehmen zu kümmern. In der Vergangenheit war die Abbrecherquote recht hoch. Das soll sich ändern.
Die Führungskräfte haben auf dem Server in ihrem Unternehmen einen Bereich eingerichtet, in dem sie ihre Erfahrungen mit den Azubis dokumentieren. Um die Arbeit zu begrenzen, haben sie sich auf eine genau strukturierte Form geeinigt:
Welche Abteilung?
Welche Aufgaben hatte der Azubi?
Was war gut und soll so wiederholt werden?
Was würde die verantwortliche Führungskraft beim nächsten Mal anders machen?
Welchen Eindruck hatte die Führungskraft vom Azubi?
Was hat der Azubi selbst gesagt?
Die Führungskräfte treffen sich einmal im Jahr mit einem Coach für die betriebliche Ausbildung. Sie wollen das vergangene Jahr Revue passieren lassen und Verbesserungen für das neue Jahr vereinbaren.
Gemeint ist eine räumlich und zeitlich getrennte Interaktion. Eine gemeinschaftliche Plattform, ein Forum etwa, hilft weiter, wenn ein einzelner Teilnehmer gerade nicht weiter kommt. Die Stärke einer solchen Plattform ist der schnelle Wissens- und Informationsfluss. Die Teilnehmer nutzen das Forum mehr oder weniger regelmäßig und verbindlich.
Beispiel: Auch die Führungskräfte unseres Beispiels haben sich eine geschlossene Gruppe eingerichtet. Der Ausbildungscoach ist ebenfalls Mitglied. Wenn es Ärger mit einem Azubi gibt oder die Führungskräfte mit einer Frage fest stecken, bekommen sie hier eine schnelle Antwort.
Diese Form des Community-basierten Lernens schließt sich meist an eine Veranstaltung an, zum Beispiel nach einem Präsenzseminar. Sie bildet ein Forum für die Vertiefung und das Weiterlernen.
Beispiel: Ein bisschen genervt sind die Führungskräfte schon: Soeben wurde eine neue Software-Lösung für das Personalwesen implementiert. Die Kollegen aus der HR wollen, dass die Informationen über die Azubis dort hinterlegt werden.
Prinzipiell ist das möglich, doch es bedeutet zusätzliche Arbeit. Der Führungskreis will sich per Videokonferenz treffen und eine möglichst elegante Lösung finden.
Community-basiertes Lernen ist mit hohen Erwartungen verbunden. Doch bisher gibt es wenige praktischen Befunde. In der Literatur existieren Fallanalysen, die sich jedoch schlecht verallgemeinern lassen. Nachfolgend eine Übersicht über erste empirische Befunde.
Nur wenn die Ziele klar formuliert sind, lässt sich überhaupt Erfolg abschätzen. Mit Zielen sind nicht nur Inhalte gemeint, sondern auch soziale Umgangsformen.
Wichtig ist, dass die einzelnen Ziele und die der Gemeinschaft für jeden Teilnehmer von hoher Bedeutung sind. Natürlicherweise will jeder Teilnehmer, dass "seine" Themen behandelt werden.
Beispiel: Die Ziele waren von Beginn an eindeutig formuliert: individueller Ausbau der Führungskompetenz, Erneuern der Führungskultur, Verbessern der Erfolgsaussichten des Unternehmens. Darin sind sich alle einig. Das ist klar.
Eine Community lebt von der regelmäßigen und intensiven Teilnahme ihrer Mitglieder. Dabei bestimmen die Kommunikationskanäle die Möglichkeiten und Grenzen der Interaktion.
Für einen häufigen und inhaltlich anregenden Austausch empfiehlt sich eine enge Verknüpfung mit dem Arbeitsprozess. Auch der innere Zusammenhalt und das Vertrauen stärken die Bereitschaft zur Interaktion.
Beispiel: Es hat eine ganze Weile gedauert, bis der Kreis seine Dokumentation des Wissensn bevorzugten Kanal gefunden hatte. Zum Beginn gab es im Unternehmen nichts Passendes. Eine Whats-App-Gruppe hätte sich angeboten – doch einige Teilnehmer hatten große Sicherheitsbedenken.
Zusammen mit der IT-Abteilung hat der Kreis inzwischen eine für jeden verfügbare und einfach zu bedienende Lösung gefunden.
Erfolgreiche Communities zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Erkenntnisse, Ideen und Vorgehensweisen dokumentieren. Die Organisation und Strukturierung des Wissens ist wichtig: Sie erlaubt jedem Mitglied einen schnellen und umfassenden Zugriff. Voraussetzung dazu ist jedoch die Fähigkeit zum selbstgesteuertem Lernen.
Beispiel: Noch einmal geht es um die Aufzeichnungen über die Azubis. So eindeutig war die Vereinbarung anscheinend doch nicht. Einige Teilnehmer berichten ausführlich, andere stellen ein paar Stichpunkte ins System.
Zu allem Überfluss hat sich auch noch der Betriebsrat gemeldet: Ist die Vereinbarung überhaupt datenschutzkonform? Das muss geprüft werden. Doch generell sind sich die Mitglieder einig über den Sinn der Aktion.
Gruppen sind nicht gleich Gruppen. Und vieles, was mit Schwung beginnt, verliert schnell an Kraft. Im Alltag drängen sich andere Aufgaben vor. Da sollte zumindest das Setting stimmen, um die Chancen der Community zu stärken. Schön, wenn wir dazu einen Beitrag leisten können.
Quellen:
Heinz Mandl, Birgitta Kopp, Susanne Dvorak, Aktuelle theoretische Ansätze und empirische
Befunde im Bereich der Lehr-Lern-Forschung – Schwerpunkt Erwachsenenbildung – Deutsches Institut für Erwachsenenbildung, Ludwigs-Maximilians-Universität München.