10 Thesen zur Zukunft des Lernens und der betrieblichen Weiterbildung
1. Arbeiten und digitales Lernen im Homeoffice
2. Digital ist anders
3. Tools für digitales Lernen in Unternehmen nutzen
4. Lernkontrolle im Unternehmen
5. Lernzeit ist Arbeitszeit
6. Digitales Lernen in Unternehmen auf Augenhöhe
7. Lernprozess statt Lernevent
8. Trainer als digitale Lernbegleiter
9. Vom Mitarbeiter zum Mitdenker
10. Zuhause und Büro ergänzen sich
Der endgültige Durchbruch für digitales Lernen in Unternehmen. Wie es aussieht, hat Corona über Nacht geschafft, woran sich die E-Learning-Branche seit Jahrzehnten versucht. Während viele Unternehmen Kurzarbeit anmelden, werden in den E-Learning-Unternehmen Sonderschichten gefahren. Plötzlich muss es schnell gehen. Plötzlich brauchen alle E-Learning-Plattformen, E-Learning-Kurse und Virtual Classrooms. 10 Gründe, die dafürsprechen, dass digitales Lernen bleibt, auch wenn Corona geht.
Es wird sich zeigen, dass Homeoffice eine andere und zuweilen produktivere Möglichkeit ist zu arbeiten. Und es wird sich zeigen, dass Homeoffice sich zwar nicht für alle Arbeiten eignet, für eine aber dafür umso mehr: fürs Lernen. Wenn den Mitarbeitern gute Lernressourcen in einer nutzerfreundlichen Lernumgebung zur Verfügung stehen, die wiederum in eine soziale Lernarchitektur eingebunden sind, wird es künftig heißen: Homeoffice statt Seminarhotel.
Wenn uns Corona lehrt, dass man statt zwei Tage im Seminarhotel auch zwei Tage zuhause lernend investieren kann, dann verschwindet damit (hoffentlich) auch die Verengung des digitalen Lernens auf das „Nebenbei-Lernen“. Es zeigt sich, dass „digitales Lernen“ weder schneller noch langsamer ist als analoges Lernen. Nur anders.
Die Technik rückt in den Hintergrund. Während LMS-Anbieter immer noch mehr Features in ihre Learning-Experience-Plattformen knüppeln, sind die Nutzer längst woanders. Die Frage vieler L&D Profis, „wie kriege ich die Nutzer dazu, auf der Lernpattform zu interagieren“ dürfte sich zu deren Wohlgefallen auflösen. Denn die Leute nutzen für digitales Lernen die gleichen Tools, die sie auch zum Arbeiten oder in der Freizeit nutzen. Zum Lernen in digitalen Welten braucht es deshalb nicht mehr als den Zugang zu guten Lernressourcen. Die Kommunikation in Lerngruppen, mit Lernbegleitern, Führungskräften und anderen Beteiligten findet über die Kommunikationstools statt, die ohnehin genutzt werden. Von der Mail über Slack bis zu Teams oder Zoom.
Großes Konfliktpotential dabei, digitales Lernen in Unternehmen durchzusetzen bot das Thema „Lernkontrolle“. Lernkontrolle, so die Angst, könnte zur Stigmatisierung derer führen, die die Lerntests gar nicht oder schlecht abschließen. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass Nicht-Lernen die größere Gefahr ist. Und „Benotung“ hat zumindest im „lernenden Unternehmen“ als Leitkategorie fürs Lernen nichts zu suchen.
Im gleichen Atemzug muss „Lernzeit“ genannt werden. Denn der Mitarbeiter, der in der Mittagspause, an der Bushaltestelle oder am Feierabend im Park per Smartphone effektiv lernt, war zwar gleichermaßen Wunschbild wie Alptraum der jeweiligen Akteure. Existiert hat er aber nie. Denn wie Denken braucht auch Lernen vor allem drei Sachen: Input, Verarbeitungskompetenz und Zeit. Jetzt dürfen viele die Erfahrung machen, dass Lernzeit, und zwar ungestörte Lernzeit, sinnvoll investierte Arbeitszeit ist.
Die für das Thema „digitales Lernen“ so katastrophale Vorstellung, Lernen sei Klicken, hat sich selbst entblößt. Hunderttausende haben im Homeoffice Zeit zu lernen und merken, dass es nicht darum geht, schnell ein WBT durchzuklicken. Sie entdecken, was lernen ist: Ein Thema von allen Seiten zu begreifen, sich zurückzulehnen, sich Gedanken zu machen, Themen zu durchdringen. Lernen braucht Zeit – und Lernen hat Zeit verdient. Das dürfte für viele eine wertvolle Erkenntnis sein. Für die L&D Profis auf Seiten der Unternehmen wie auch auf Seiten der Anbieter ist das der Aufruf, die Lernenden ernst zu nehmen und Angebote mit Lernressourcen und Lernarchitekturen auf Augenhöhe zu machen.
Der Lernevent ist tot. Hoch lebe der Lernprozess. Corona hat uns ins Homeoffice geschickt. Und uns gezwungen, von Homeoffice zu Homeoffice zusammen zu arbeiten und zusammen zu lernen. Viele haben zum ersten Mal seit langem erfahren, was es bedeutet, einmal ein paar Stunden bei der Sache zu bleiben. Und sie haben es schätzen gelernt, mit Kollegen im (Video)-Chat Erfahrungen auszutauschen. Sie lernen auch, dass Lernen nie „fertig“ ist, sondern immer der Ausgangspunkt für neue Entdeckungen. Lernen wird jetzt erfahren als Prozess, als die schrittweise Entwicklung von Kompetenz. „Druckbetankung“ wird damit hoffentlich Geschichte sein.
Viele läuten den Trainern jetzt das Totenglöckchen. Das ist falsch. Richtig ist, dass die Aufgabenprofile von Trainern sich radikal wandeln werden. Kaum einer wird künftig noch Modelle an die Flipchart malen. Kaum einer mehr wird Vorträge halten über das Führen, Verkaufen, die Kommunikation und was es sonst an Themen gibt. Denn all diese Inhalte gibt es schon jetzt in digitaler Form. Und täglich werden es mehr. Trainer von heute und erst recht Trainer von morgen werden digitale Lernbegleiter sein. Sie werden Lernpfade entwickeln und Lerngruppen über Wochen oder gar Monate hinweg betreuen. Das ist nur online abbildbar, egal, von wo die Teilnehmer zugreifen. Trainer organisierten jetzt Online-Meetings, stehen mit ihrer Expertise bei Fragen zur Seite und leisten in 1:1 Coachings mehr, als sie bisher jemals leisten konnten. Mehr zum Thema virtuelles Blended Learning finden Sie in unserem Leitfaden virtuelle Trainingsdesigns.
Das Kontrollparadigma hat ausgedient. Stattdessen bricht sich das Entwicklungsparadigma Bahn. Kein Wunder, denn immer mehr Unternehmen sind darauf angewiesen, nicht nur Mitarbeiter sondern auch Mitdenker in ihren Reihen zu haben. Das verlangt nach einer Lernarchitektur, die selbstorganisiertes Lernen ermöglicht. Dass die Mitarbeiter dazu willens und in der Lage sind, zeigen sie derzeit in ihren Homeoffices von Flensburg bis Freiburg.
Es wird sich auch zeigen, dass das „Büro“ ein Ort sein kann, an den man gerne geht. Weil man Kollegen trifft. Weil man auch mal Abschalten kann vom Trubel zuhause. Und weil sich doch ganz andere Dynamiken entwickeln, wenn man gemeinsam diskutieren und für gute Ideen streiten kann. Schon jetzt zeigen neue Büroarchitekturen, dass Unternehmen Mitarbeitern viel bieten können, was sie zuhause nicht haben. Rückzugsorte für konzentriertes Arbeiten, Kreativräume voller Kram für wildes Denken und auch das: Gute Schreibtische mit tollen Monitoren und einem guten Schreibtischstuhl davor. Wenn dazu noch die Möglichkeit kommt, sich ganz selbstverständlich „Lerntage“ zu Hause zu nehmen, sind wir hochwertigem „New Work“ wieder einen Schritt näher gekommen. Umso mehr, wenn man das Hirn dann auch wieder mal gefahrlos im Freien lüften darf.