Digitale Kompetenzbildung in der betrieblichen Weiterbildung
Bücher digitalisieren ist einfach. Man legt sie auf den Scanner und hat in Nullkommanichts einen durchsuchbaren, bearbeitbaren digitalen Text. Aber wie digitalisiert man die betriebliche Weiterbildung? Wie digitalisiert man Präsenzseminare? Trainer:innen auf den Scanner legen funktioniert nicht. Handbücher und Trainerleitfäden scannen funktioniert auch nicht. Trotzdem lässt sich die betriebliche Weiterbildung digitalisieren. Allerdings nicht nach Schema F. Es gilt deshalb, zuerst die unterschiedlichen Anforderungen und „Formate“ der betrieblichen Weiterbildung zu clustern und zu analysieren. Drei solcher Cluster möchte ich genauer unter die Lupe nehmen.
Bedienungsanleitungen und Handbücher stellen einen wichtigen Teil der Lehr- und Lernmittel der betrieblichen Weiterbildung dar. Hier geht es auch um Masse. Wichtig ist, dass Bedienungsanleitungen und Handbücher allen Mitarbeitern, für die sie wichtig sind, schnell und immer aktuell zur Verfügung stehen. Schon allein aus diesem Grund ist die Digitalisierung der betrieblichen Weiterbildung in diesem Format schon recht weit fortgeschritten. Vom PDF über das WBT bis zum Schulungsvideo sind hier alle Medien vertreten. Das didaktische Setting dieser Medien ist recht klar. Wir befinden uns mitten in der Domäne des „Instructional Design“. Gutes Instructional Design schafft es, Bedienungsanleitungen und Handbücher so in digitale Medien umzusetzen, dass sie von vielen Menschen mit den unterschiedlichsten Lern- und Lebenserfahrungen schnell erfasst umgesetzt werden können. Die Herausforderung für die Macher besteht darin, die Weiterbildungsmedien so ausführlich wie nötig und so kurz wie möglich zu gestalten. Jede Minute mehr bedeutet in Summe bei großen Unternehmen oft ein irrsinniger Mehraufwand.
Eine besondere Rolle in diesem Kontext nimmt das Schulungsvideo ein. Es hat zwei riesige Vorteile gegenüber Texten und statischen Bildern. In Bewegtbildern lassen sich Anleitungen und „Instruktionen“ sehr anschaulich vermitteln. Besonders für Unternehmen mit internationalen Belegschaften an den unterschiedlichsten Orten der Welt sind deshalb Schulungsvideos erste Wahl. Im Idealfall brauchen sie keine Untertitelung sondern funktionieren ganz ohne Sprache. Unternehmen mit hohem Schulungsbedarf in diesem Bereich empfehlen wir, die Kompetenz für das Erstellen von Schulungsvideos selbst aufzubauen. Das kann bedeuten, die Technik bereit zu stellen bis hin zur Etablierung eigener Produktionseinheiten. Erfahrungsgemäß ist es besser, klein anzufangen. Oft zeigt sich, dass ein zu Beginn eingerichtetes Studio am Ende gar nicht genutzt wird – weil es sich zum Beispiel als sinnvoller herausgestellt hat, vor Ort zu drehen. Wichtig ist, schnell zu starten und Erfahrungen zu sammeln. Die didaktische Richtschnur beim Erstellen von Schulungsvideos heißt: „Zeigen, wie es geht“.
Etwas komplexer wird die Sache, wenn es darum geht, Software zu erklären. Ob es sich um die Erklärung von Programmen wie Outlook oder Excel handelt oder um die firmeninterne IT-Infrastruktur, ist unerheblich. Die Programme, um Bildschirme „abzufilmen“, um sogenannte „Screencasts“ zu erstellen, gibt es teilweise kostenlos im Netz. Das allein ist aber noch keine Lösung. Denn je komplexer die Programme, desto wichtiger ist ein gutes Drehbuch. Nicht immer sind die Experten für ein Programm auch die besten Erklärer. Im Gegenteil neigen die Experten dazu, sich in Details zu verlieren. Und anders als bei den oft stundenlang dauernden Onlinetrainings im Consumerbereich sollen die Mitarbeiter ja schnell in die Lage versetzt werden, die wichtigsten Funktionen der neuen Software schnell zu verstehen und bei Bedarf schnell nachschlagen zu können. Unsere Empfehlung: Wägen Sie ab, wie viele Mitarbeiter und Kollegen das neue Programm beherrschen müssen. Wenn die Zahl in die Hunderte geht, sollten Sie unbedingt Experten zu Rate ziehen – es lohnt sich!
Erst kam das Computer Based Training (CBT) dann das Web Based Training (WBT). Bis heute steht das WBT für E-Learning, also für digitale Lernmittel in der betrieblichen Weiterbildung. Seinen schlechten Ruf verdankt das WBT seiner an Bilderbüchern orientierten Ästhetik und auch seinem Einsatzgebiet. WBTs wurden den Mitarbeitenden „zugewiesen“, wenn es darum ging, rechtssicher Themen unters Volk zu bringen beziehungsweise „einen Haken dahinter“ machen zu können. Das kann man natürlich weiter so machen, funktioniert ja. Die Frage, die sich stellt, ist eine andere. Sollen die Mitarbeitende nach dem Durcharbeiten eines WBTs ein anderes Verhalten an den Tag legen? Sollen sie zum Beispiel nie wieder Fluchttüren zustellen? Oder nie wieder Aufträge an „gute Bekannte“ vergeben? Wenn Verhaltensveränderung das Ziel ist, dann funktioniert ein klassisches WBT definitiv nicht. Wer Verhalten verändern will, muss dramatisieren und emotionalisieren. Deshalb gilt: wenn es aufs Abhaken ankommt, ist das WBT das Mittel der Wahl. Wenn es um Verhaltensveränderung geht, ist mehr gefordert.
Meine Einschätzung zum Thema WBT – im Grunde war und ist das WBT kein „Training“ sondern mehr oder minder gut gemachte Wissensvermittlung. Für diesen Zweck können WBTs auch heute noch sinnvoll eingesetzt werden. Dazu gibt es eine Menge praktischer und immer besserer Autorentools am Markt. Ich empfehle, den Einsatz von WBTs in der betrieblichen Weiterbildung aber immer gut zu prüfen. Nach guter alter didaktischer Hausmannsart kommt es immer drauf an, was rauskommen soll. Wenn das WBT dabei gut abschneidet und die Mitarbeitende zufrieden sind: ran an die Buletten. Wichtig dabei: nie nur an die einzelne „Maßnahme“ denken, sondern systemisch. Wenn ein günstig produziertes WBT dabei hilft, schnell gesetzliche Auflagen zu erfüllen aber gleichzeitig die Aversion gegen das sogenannte E-Learning schürt, hat es einen schlechten Dienst getan. Denn alle Lernmedien zahlen auch auf das ein, was unter „Lernkultur“ diskutiert wird. Sie kennen die Geschichte von dem einen faulen Apfel …
Kompetenzentwicklung ist der Bereich in der betrieblichen Weiterbildung, der bislang weitgehend geprägt von Präsenztrainings ist. Das gilt, auch wenn die
dafür gesorgt hat, dem sogenannten Workplacelearning zu neuem Stellenwert zu verhelfen und die Wirkung von Präsenztrainings in Frage zu stellen. Für uns war dieses unbeackerte Feld ein Antrieb, etwas Neues zu versuchen. Deshalb haben wir uns im Sommer 2015 eingeschlossen und einen Design-Thinking Prozess gestartet. Ziel war es, die eigenen Lernbiografien zu durchleuchten und zu reflektieren und darauf aufbauend digitale Lernobjekte zu kreieren. Das Ergebnis sind Onlinetrainings zur selbstgesteuerten Kompetenzentwicklung. Wir möchten damit der betrieblichen Weiterbildung mit digitalen Medien neue Möglichkeiten schaffen. Nämlich die selbstgesteuerte oder auch selbstorganisierte Entwicklung von Kompetenzen in den Bereichen Kommunikation, Führung und Soft Skills. Natürlich gab und gibt es zahlreiche Skeptiker. Kompetenzentwicklung per Videogucken sei nicht möglich. Ich bin deshalb sogar ins kalte Wasser gesprungen um zu zeigen, dass selbst Schwimmen lernen per Video möglich ist. Um das Eingangsbild mit dem Scanner aufzugreifen: Präsenztrainings kann man nicht auf den Scanner legen, um sie zu digitalisieren. Es braucht vor allem Gehirnschmalz. Deshalb spielen bei uns die Didaktiker, Redakteure und Designer so eine wichtige Rolle. Lange bevor wir Technik in die Hand nehmen, stürzen wir uns in intensive Gedankenarbeit. Auch hier stellt sich natürlich die Frage „make or buy“. Aus Erfahrung kann ich hier sagen: die Aufwände sind recht hoch. Da wir die Kompetenztrainings als Standardcontent produzieren, können wir Skaleneffekte erzielen und die einzelnen Trainings deshalb recht günstig anbieten. Diese Möglichkeiten bieten sich einer internen Produktionseinheit natürlich nicht. Dazu kommt, dass für die Herstellung eines Online-Kompetenztrainings einige Gewerke nötig sind, die meist nicht als unternehmensinterne Ressourcen verfügbar sind.